Mittwoch, Juni 27, 2007

Eva unterwegs im Outback

Foto: Eingang zur Damentoilette in Wycliffe Well

Australien ist riesig, das Northern Territory recht gross. (Ungefaehr die Flaeche von Frankreich, Italien und Spanien zusammengefasst.) Dennoch gibt es im gesamten Territory nur knapp ueber 200.000 Einwohner, was ganz einfach dadurch erklaeren ist, dass hier das Herz des australischen Outbacks zu finden ist. Die meisten Einwohner leben in den Staedten, was die Reise entlang des Stuart Highways zu einem wahren, einoedigen Erlebnis werden laesst.

So sah ich nicht nur den groessten Raubvogel Australiens (Wedge-tailed Eagle, Fluegelspannweite bis zu 2,5 Meter), sondern auch wilde Kamele, Kaengurus, Emus und Wildpferde. Vorsicht ist geboten bei Rastplaetzen, die mit Sitzgelegenheiten ausgestattet sind. Schaut lieber einmal unter den Tischen und Baenken nach, ob da nicht ein paar Redback-Spinnen wohnen. Wir haben gleich zweimal welche gefunden. Redback-Spiders sind giftig und koennen einem eine kleine Rastpause ganz schoen vermiesen. Auch wenn sie laut Meinung der meisten Australier "not really poisonous" sind. Meiner Erfahrung nach sind die Australier in dieser Hinsicht allerdings nicht sehr zuverlaessig, schliesslich wurde mir auch mitgeteilt, dass Salzwasserkrokodile oder Box Jellyfish "not really dangerous" sind. Und das soll ich glauben? Not really!

Die obligatorischen Tankstopps unterwegs erfolgten in winzigen Orten, die es bei uns nicht einmal auf die Landkarte schaffen wuerden, hier jedoch in Riesenlettern auf jeder Karte zu finden sind. Meist bestehen diese Orte lediglich aus einem Rasthaus inklusive Tankstelle. So etwa Barrow Creek. Hier ereignete sich in den 1920ern ein unmenschliches Massaker an ueber 70 Aboriginees. Darueber erfaehrt man in Barrow Creek selbst allerdings nichts, man kann lediglich die Grabstaetten zweier Telegraphenstation-Arbeiter, die aus Rache von den Aboriginees ermordert worden sind, besichtigen. Ausserdem kam es hier vor ein paar Jahren, 2001, zu einer Entfuehrung eines britischen Paerchens. Sie entkam, die Leiche ihres Freundes wurde jedoch nie gefunden. (Mehr Infos hier.) Welch kuschelig-gemuetliches Oertchen, da fuehlt man sich doch gleich pudelwohl!

Da entspricht Wycliffe Well doch viel mehr meinem Geschmack. Wie, ihr habt noch nie etwas von Wycliffe Well gehoert? Sakrileg! Ich wette, Mulder und Scully wissen dafuer bestens Bescheid. Wycliffe Well ist schliesslich die UFO-Hauptstadt Australiens! Ich habe vergebens versucht nach Hause zu telefonieren, aber dank meiner paranormalen Faehigkeiten war ich in der Lage mit einigen der Aliens zu kommunizieren. Sie teilten mir mit, dass ich mich auf einer spirituellen Selbstfindungsreise befaende und dass es meine Aufgabe sei, die Welt davon zu ueberzeugen, dass die oertlichen UFO-Sichtungen in keinerlei Zusammenhang mit der Tatsache, dass Wycliffe Well mit dem hoechsten Liter-Bier-pro-Kopf-Verbrauch im Northern Territory aufwarten kann, zu tun hat. Also, Welt, jetzt weisst dus!

Wenn wir schon einmal beim Thema Bier sind: Es scheint eine aussergewoehntlich grosse Rolle in diesem Teil Australiens zu spielen. Dies ist schon an der Groesse der hiesigen Bierflaschen (2 Liter, das sog. "Northern Territory Stubby") zu erkennen. Oder an der Entstehungsgeschichte des Ortes Tennant Creek. Urspruenglich befand sich Tennant Creek ein paar Kilometer von seinem jetzigen Standpunkt entfernt. Doch dann geschah das Unfassbare: Der Truck mit der Bierlieferung fuer dieses Staedtchen hatte eine Panne, kurz bevor er sein Ziel erreicht hat. Gemaess dem Motto: "Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt eben der Berg zum Propheten", ist ganz Tennant Creek umgezogen. Wenn der Bier-Truck nicht nach Tennant Creek kommt, kommt eben Tennant Creek zum Bier-Truck! (Ich finde diese Geschichte ja schockierend, meine maennlichen Mitreisenden waren jedoch anderer Meinung und haben Tennant Creek heilig gesprochen. Typisch Mann.) (Uebrigens: Sogar der rosarote Panther, der hier im Outback wohnt, hat es sich mit einer 2-Liter-Bierflasche gemuetlich gemacht. Typisch rosaroter Panther.)

Bier ist mir ganz egal, viel wichtiger war mir meine Selbstfindungsreise. Und wo kann man diese Reise besser beginnen als auf einer Rinderzuchtfarm? Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Dieses Land ist gigantisch, dementsprechend sind auch die Rinderzuchtfarmen ein klein wenig groesser als bei uns daheim. Ich habe eine Nacht in Banka Banka verbracht - eine Farm in der Groesse Jamaicas. Farmen in der Groessenordnung von Belgien sind keine Seltenheit. In Banka Banka habe ich mich ausserdem davon ueberzeugen koennen, dass es doch einige Frauen gibt. Von Frauenmangel war zumindest hier nichts zu sehen. Jedoch gelangte ich auch zu keinem Ergebnis, was meinen Selbstfindungsprozess betraf.

Verzweifelt setzte ich meine Reise fort. Warum muss ich mich selbst finden? Sollte ich mich als vermisst melden? Und wie kann ich mich ueberhaupt selbst finden? Warum nur haben die Aliens keine Experimente mit mir durchgefuehrt oder mich zumindest mal einen klitzekleinen Blick auf ihr UFO werfen lassen? Habe ich das Ganze etwa nur getraeumt?

Nein, das habe ich nicht. Dies wurde mir schlagartig klar, als ich den weltberuehmten, sagenumwobenen Stuart Tree (ein Baum, in den angeblich Johnny hoechstpersoenlich seine Initialien reingeritzt haben soll) mit eigenen Augen sah! Ich war derart geblendet von seiner Schoenheit und seiner imposanten Gestalt, dass ich es nicht wagte, ein Foto dieses Aura-Hot-Spots zu schiessen! Ich fuehlte, dass ich meinem Ziel nahe war.

Und tatsaechlich dauerte es nicht lange und ich fand mich in Daly Waters wieder. Dieser Ort hat nur knapp 20 Einwohner, der Lebensmittelpunkt ist - wie sollte es auch anders sein - das lokale Pub Schraegstrich Campingplatzvermietung Schraegstrich Postamt Schraegstrich alles andere. Als ich jedoch einen Mann mit einer Holzhuette auf dem Kopf die Strasse ueberqueren sah, wusste ich: Das ist das ultimative Ziel meiner Reise! Unbedingt ansehen! Und falls ihr dort seid, koennt ihr im Pub ganz viele Leute finden. Mit etwas Geduld auch mich. Oder euch selbst. Letzteres allerdings nur, wenn ihr schon einmal dort wart. Und selbst dann koennt ihr euch nur im Pub unter einer einzigen Voraussetzung finden. (Orakel Eva hat gesprochen.) Was ihr auf alle Faelle dort erledigen solltet, ist eine Runde Bowling spielen. Dies spielt man auf der Strasse vor dem Pub. Und ich hatte tatsaechlich einen Strike, der mich zur Gewinnerin machte!! Yeah!! Natuerlich verdankte ich dies allein meinem Koennen und meiner erstklassigen Hand-Augen-Koordination, da ich natuerlich absichtlich die Kugel nach links geworfen habe, weit aus der Bahn hinaus, mich alle anderen schon mitleidig be-"ooooh"ten, dann die Kugel jedoch - wie praezise von mir erkannt und berechnet - dank einer Kruemmung in der Strasse genau die goldene Mitte traf. Hach. Welch suesser Triumph!

Zufrieden, meine Selbstfindungsphase derart zuegig abgeschlossen zu haben, relaxte ich in den Thermalquellen von Mataranka und besuchte den Nachbau des Hauses von Jeannie Gunns beruehmter autobiographischer Erzaehlung "We of the Never-Never" und erledigte eine Wanderung im Nitmiluk-Nationalpark, wo ich Katherine Gorge besuchte. Sehr huebsch anzusehen. Dennoch fand ich das Pub in Adelaide River spannender, handelt es sich hierbei doch um das Zuhause des wahren Stars meiner heiss geliebten "Crocodile Dundee"-Filme: Charlie, the Buffalo! Leider weilt Charlie nicht mehr unter uns, aber wie kann man einem tierischen Filmstar besser unseren Respekt und ewige Ehre erweisen, als ihn auszustopfen und neben einer Bar aufzustellen? Wo aber sind nur unsere anderen tierischen Freunde, all die Lassies und Flippers dieser Welt? Hat man diese etwa nicht fuer die Ewigkeit bewahrt? Sind wir Menschen tatsaechlich derart gleichgueltig mit deren Ueberresten vorgegangen? Das kann nicht sein. Oder doch?

Mit meinem Besuch in Adelaide River war meine Reise durch das Outback auch schon fast beendet. Was ich noch erwaehnen sollte: Unterwegs bin ich ganz vielen Roadtrains begegnet. Bei einem Roadtrain (= "Strassenzug") handelt es sich um einen riesigen LKW, der bis zu 53,50 Meter lang und 132 Tonnen schwer sein kann. Bremsweg: 1 bis 1,5 Kilometer. Eigentlich sollte man als Autofahrer am Besten anhalten, wenn einem ein solcher Gigant entgegenkommt, und Ueberholen natuerlich nur, wenn man mehrere Kilometer freie Sicht hat. Doch laut unserer Fahrerin handelt es sich dabei lediglich um eine mehr als laestige Empfehlung, es ist "not really necessary", was zu mindestens einem besonders spannenden Moment gefuehrt hat. Mein Endziel: Darwin, Hauptstadt des Northern Territorys. Endstation meiner Australienreise. Well, not really...

Keine Kommentare: